München – Kim Falmmiger ist 60 Jahre alt, liebt und lebt seit Kindesalter für das Ballett und will dieses Wissen nun weitergeben. Ihr Mantra? Bei ihr soll niemand Schranken erleiden müssen.
Das klassische Ballett wird weiterhin mit einer sehr eng geschnittenen Vorstellung des Körpers verbunden. Tänzerinnen und Tänzer müssen sich auf Spitze drehen können, das Bein heben können, sind dünn und doch gleichzeitig stark. Zwischen diesen Körperbildern bleibt nur wenig Platz für diejenigen abseits der gesetzten Norm. In der Münchener Tanzschule „Kim’s Tanzschule“ soll aber jedes Kind mit machen können, denn „alle Kinder haben einen natürlichen Bewegungsdrang“, erklärt die gleichnamige Studioinhaberin Kim Flammiger.
„Jedes Kind ist ein Ballettkind“: Einzigartigkeit im inklusiven Sport
„Kim’s Tanzschule“ wurde 1994 gegründet und ist nach eigenen Angaben die einzige inklusive Tanzschule Bayerns. Hier in München werden unteranderem auch Schülerinnen und Schüler mit ADS, Down Syndrom und gehörlose Kinder unterrichtet. Bundesweit ist die Schule eine von wenigen, welche Tanzunterricht für Kinder und Jugendliche mit Behinderung anbietet. Und das obwohl die Arbeit mit Kindern mit Behinderung kaum schwerer ist – findet
zumindest die Studioleiterin.
Im Gespräch erklärt Flammiger, dass für sie die Arbeit mit Kindern mit oder ohne Behinderung sich gleich anfühlt. „Jedes Kind, das hier rein kommt ist ein Ballettkind.“ Natürlich haben manche ihrer Schülerinnen und Schüler andere medizinische Bedürfnisse, die
Kinder könne man deswegen aber trotzdem adäquat unterrichten. Die 60-Jährige findet, dass jedes Kind sich seiner Begabungen entsprechend entwickeln kann. Deswegen ist sie der Überzeugung, dass jedes Kind einzigartig ist. Inklusion bedeutet für die Tanzlehrerin auch, die Einzigartigkeit jeden Kindes wahrnehmen zu können.
Ein Leben voller Tanz
Vor Gründung ihrer eigenen Tanzschule war die inzwischen 60-Jährige selbst als Tänzerin aktiv. Bereits in jungen Jahren wusste Flammiger, sie will Ballett als Beruf erlernen: „Für mich war es einfach immer klar, das möchte ich – ich möchte auf die Bühne“. Ihre Ausbildung begann deswegen bereits früh im Kinderballett der bayerischen Staatsoper. Zeitweise trainierte die Tänzerin viermal die Woche, während ihren Schuljahren auf der weiterführenden Schule dann bis zu sechsmal die Woche.
Mit ihrem damaligen Mann zog die Tänzerin dann in die USA, wo sie in vielen Musicals mitwirken durfte. Nach ihrer ersten Schwangerschaft war ihre Karriere dort mit 27 Jahren jedoch beendet. Als junge Frau zog sie zurück nach München, wo sie weitere 20 Jahre
Mitglied des Opernballets der bayerischen Staatsoper wurde. „Meine Liebe zum Ballett ist eine bedingungslose Liebe“. Das Gefühl sei weiter nicht mehr definierbar, da Ballett ein Teil von ihr sei, erklärt die 60-Jährige.
Eine Freundin Flammigers hatte sie schließlich vor gut 30 Jahren gefragt, ob sie denn nicht auch unterrichten wolle, erinnert sich die Tänzerin zurück. Daraufhin mietete Flammiger sich einem kleinen Raum und brachte zunächst acht Kindern das Ballett bei. Später integrierte die
Lehrerin die Tanzmedizin in ihre Praxis, um Kinder mit und ohne Behinderung angemessen unterrichten zu können. „Ballett bedeutet für mich eine Kunstform, die jeder erlernen kann“.
2012 folgte schließlich der schwere Schicksalsschlag: Die Tanzlehrerin wird nach einem Unfall verletzt und ihr werden zwei künstliche Knie eingesetzt. Mit diesen sollte sie nur 20.000 Schritte am Tag machen, wiesen ihre Ärzte ihr an. „Die Rehaklinik hat gesagt: ‚Sie
werden nie wieder als Ballettlehrerin voll arbeiten können‘, und ich habe gesagt: ‚Ich werde Sie eines Besseren belehren‘“ So gab sie auch nach ihrem Unfall im Krankenfahrstuhl und mit Gehhilfen Unterricht. Damals schämte Flammiger sich für ihre Stützen, mittlerweile sei sie jedoch dankbar, da sie so weiterunterrichten kann, erklärt sie. Die 60-Jährige ist aktuell weiterhin auf ihren Krankenfahrstuhl angewiesen, denn von ihren 20.000 Schritte am Tag möchte sie 18.000 für ihre Tanzstunden nutzen.